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17. November 2022
Stimmstörungen bei Kindern
Die häufigste Form von Stimmstörungen im Kindesalter ist die sogenannte hyperfunktionelle Stimmstörung. Jungen sind hiervon dreimal häufiger als Mädchen betroffen. Die Kinder klingen hierbei andauernd heiser, sprechen mit viel Anstrengung und Lautstärke bzw. schreien häufiger. Durch die Heiserkeit wird nicht selten der Eindruck erweckt, die Kinder seien dauerhaft erkältet. Meist hört man diese Kinder in einer Gruppe spielender Kinder heraus, sie sind nicht selten mitteilungsbedürftig, sprechen daher meist recht schnell, fallen anderen ins Wort und wirken angespannt („stehen unter Strom“). Die hohe Spannung macht sich überall im Körper bemerkbar: an den Stimmbändern, der Halsmuskulatur (teilweise wird beim Sprechen die Halsschlagader sichtbar), durch eine enge Kieferöffnung (Neigung zu Knirschen), im Schulter-Nacken-Bereich und in der Anspannung des Bauchs. Auch ein Räusperzwang kann typisch sein. Bei anhaltend falschem Stimmgebrauch, wie oben beschrieben, kann es in Folge zu organischen Auffälligkeiten kommen, z.B. zu „Schreiknötchen“. Wenn diese Stimmlippenknötchen noch in weichem Zustand sind, können sie sich mit Hilfe einer Stimmtherapie zurückbilden. Bei verhärteten Knötchen hilft i.d.R. nur eine OP.
Eine andere Variante ist die sogenannte hypofunktionelle Stimmstörung. Betroffen sind die eher stimmlich unauffälligere, leise Kinder, die man kaum bemerkt und bezüglich der Lautstärke und deutlichen Aussprache schlecht versteht. Sie sind häufiger introvertiert, sensibel und ziehen sich schnell zurück. Der Stimmklang ist bisweilen verhaucht, kraftlos, leise und möglicherweise nasal. Es kann ein Eindruck des Nuschelns entstehen.
Stimme und Stimmung
Stimmprobleme sollten jedoch nie isoliert betrachtet werden. Vielmehr ist ein Ungleichgewicht bezüglich stimmbeeinflussender Faktoren wahrscheinlich. Hierzu zählen die Atmung, die Haltung und die Körperspannung sowie die Artikulation. Die Eigenwahrnehmung dieser Kinder ist meist eingeschränkt. Häufig drückt der veränderte Stimmklang auch eine emotionale Dysbalance aus (seelische Konflikte). Kinder übernehmen z.B. oft unbewusst Probleme der Eltern. Möglicherweise drücken sich in den Stimmauffälligkeiten auch hohe Leistungsansprüche des Umfeldes aus oder eine Überforderung des Kindes. Stress, Zeitdruck oder Ängste können ebenfalls eine Rolle spielen. Unser Stimmklang wird durch Emotionen stark beeinflusst. Nicht umsonst finden wir in dem Begriff „Stimmung“ den Wortstamm von „Stimme“.
Welche Ursachen haben Stimmstörungen?
Die Ursachen sind sehr vielschichtig. Zusätzlich zu oben genannten stimmbeinflussenden Faktoren können Quellen in der Veranlagung gesehen werden (z.B. Motorik, Körperspannung, Wahrnehmung, evtl. auch Kehlkopfanomalien, Infektanfälligkeit, Hörvermögen, hormonelle Störungen bzgl. Schilddrüsenfunktion etc.). Andererseits spielen Gewohnheiten eine große Rolle (häufiges räuspern, schreien als Konfliktlösungsversuch, schnelles Sprechtempo, stimmliche Nachahmung von Trickfilmfiguren oder den Eltern oder generell übertriebenes Nachahmen von Geräuschen im Spiel). Eine Stimmstörung kann aber auch durch Überlastung erworben werden, z.B. wenn im Umfeld des Kindes ein hoher Lärmpegel herrscht, es schwerhörige Familienmitglieder gibt oder generell eine hektische Umgebung vorherrscht. In diesen Fällen wird das Kind automatisch lauter sprechen. Vielleicht gibt es auch chronische (Geschwister)Konflikte oder in der Freizeit werden stimmbelastende Hobbys betreiben (z.B. Sport wie Fußball, Kampfsport oder Singen im Chor). Aber auch ungünstige Temperatur- und Luftverhältnisse können zur Entstehung bzw. zum Fortbestehen einer Stimmstörung beitragen.
Wer kann mir helfen?
Bei Verdacht auf eine Stimmstörung sollte zunächst ein HNO-Arzt oder Phoniater konsultiert werden. Der entsprechende Spezialist entscheidet über die Behandlungsbedürftigkeit und stellt bei Bedarf eine logopädische Verordnung für Stimmtherapie aus.
In der logopädischen Intervention werden nicht nur stimmhygienische Maßnahmen vermittelt (Veränderung des Stimmgebrauchs), sondern auch die Bereichen Atmung, Wahrnehmung, Körperspannung und Artikulation integriert. Ziele sind die Atemvertiefung, die Regulierung des Sprechtempos, der Ausgleich der Körperspannung, das Schaffen einer Kieferweite beim Sprechen, die Regulierung des Stimmklangs (z.B. Abbau von zu viel Druck beim Sprechen) und als Grundlage die Verbesserung der Eigenwahrnehmung bzgl. Sprechtempo, Kraftaufwand, Körperspannung, Stimmklang, Lautstärke und Stimmhöhe. Elternarbeit spielt in der Behandlung eine zentrale Rolle.
Worauf kann ich Zuhause achten?
Die folgenden Tipps können einen positiven Einfluss auf die Stimme haben.
- Rauchen vermeiden
- genügend Platzangebot für Bewegung anbieten
- auf gutes Raumklima achten (Temperatur, ausreichend Luftfeuchtigkeit um ca. 50%)
- Abhängigkeit zu bestimmten Lebensmitteln beobachten, die schleimbildend wirken können und den Konsum ggf. einschränken (z.B. Milchprodukte, Schokolade, Säfte)
- Stressfaktoren minimieren, d.h. dem Kind auch Zeiten für Entspannung und Regeneration ermöglichen
- Erkältungskrankheiten auskurieren lassen
- für genügend Schlaf sorgen
- über Erlebnisse und Emotionen mit dem Kind sprechen
- selbst ein gutes Stimm- und Kommunikationsvorbild sein (z.B. Familienregeln einführen wie „Den anderen ausreden lassen“, Konflikte nicht durch Schreien sondern Argumentieren und Sprechen lösen; selbst langsam und ruhig sprechen)
- Lärmpegel zu Hause reduzieren (z.B. Zeiten der Stille einführen; Radio oder TV beim Essen/ Sprechen ausschalten)
- Alternativen zum Schreien oder Rufen anbieten (z.B. lieber zum Freund hinübergehen als ihn rufen)
- darauf achten, dass das Kind ausreiched trinkt